Nach dem für mich so traurigen und verlustreichen Jahr 2019 und den darauf folgenden Pandemiejahren hätte ich rein gar nichts gegen ein ruhiges und „normales“ 2022 gehabt. Und dann kam der Krieg. Und dann war ich Mitte März auf einmal auf dem Weg zum Hauptbahnhof, um dort eine junge Frau aus der Kiew und ihre Katze abzuholen.
Was sich recht zufällig und spontan ergab, hat dann das vergangene Jahr geprägt. Der Krieg rückte (gefühlt) näher an mein Leben heran, andererseits war das Gefühl der Hilflosigkeit angesichts der unfassbaren Geschehnisse nicht mehr ganz so groß. Keine Frage, ich habe unglaubliches Glück gehabt, denn die Chemie stimmte von Anfang an, die Sprachbarrieren waren aufgrund guter Englischkenntnisse niedrig – und so eine goldige Katze bietet auch immer ein Thema, wenn man gar nicht mehr weiter weiß.
Nach fast neun Monaten ist mein Gästezimmer jetzt wieder frei, mein Gast (inzwischen längst eine Freundin geworden) hat einen festen Job, den sie sehr mag, eine eigene Wohnung und sogar ihr Freund ist inzwischen bei ihr. Dass die Frau, die nur mit ihrem Katzenkörbchen und einem kleinen Rucksack, der nur das Nötigste (dafür aber jede Menge Katzenfutter) enthielt, jetzt einen eigenen Haushalt hat, das verdankt sie auch vielen lieben und hilfsbereiten Menschen aus meinem Bekanntenkreis – und aus meinen Strickkursen (vielen Dank, liebe S., falls Du das hier liest, für die vielen „Wundertüten“.
Ihr merkt es vielleicht – ich habe diesen Schritt nicht eine Minute bereut. Worauf ich allerdings gerne verzichtet hätte, das waren meine Erlebnisse mit Behörden und Institutionen – hier sei vor allem die Hamburger Sparkasse genannt, deren Mitarbeiter mich so an meine Grenzen brachten, dass ich sogar überlegte, bei den Medien Hilfe zu suchen. Es hat fast zwei Monate, ungezählte Anrufe, E-Mails und Fehlversuche gebraucht bis der von Bank-Mitarbeitern falsch eingegebene Name korrigiert war. Überhaupt war und ist die Schreibweise des Nachnamens immer wieder ein Problem, auf das dann häufig mit Pampigkeit reagiert wird, unter dem Motto „was hat sie denn auch so einen schwierigen Namen“… Und dann der Aufwand, die Katze ordnungsgemäß anzumelden – ihr könnt es Euch nicht vorstellen. Mein Blick auf den Umgang mit Schutzsuchenden hier in Deutschland hat sich sehr geändert – und mehr als einmal habe ich mich regelrecht geschämt für mein Land. Aber das ist ein Thema für sich…
Denn eigentlich ist das hier ja vor allem ein Strickblog. Und da komme ich doch gleich zu meinem nächsten Highlight in diesem Jahr, denn das waren meine Strickkurse, die ich jetzt schon seit über einem Jahr gebe.
Es ist immer wieder schön, wenn Menschen, die nicht eine Masche stricken konnten, plötzlich stolz ihre erste selbstgestrickte Mütze in den Händen halten. Das macht natürlich eine Menge Spaß, aber auch eine Menge Arbeit. Letztens habe ich sogar einen Delphin probegestrickt, um Licht in die schwierige Anleitung zu bringen, bei der ich mit reiner Theorie auch nicht mehr weiterkam.
Vor allem bin ich sehr dankbar, dass meine Lieben und ich so gut durch dieses verrückte Jahr gekommen sind. Und natürlich wurde auch gestrickt, auch wenn es hier bei Schaf mit Schal sehr ruhig war. Aber natürlich zeige ich Euch gerne noch einen kleinen Überblick über mein Strickjahr. Etliche Socken für meinen Sohn und verschiedener Kleinkram von Puschen bis zu Wärmflaschen haben es auch nicht auf Fotos geschafft, aber die sind ja auch nicht so spannend.
Absolutes Lieblingsteil ist auch mein zweiter Cardi Cocoon geworden, beide (rosa und grün) trage ich so gerne, dass ich darüber nachdenke, mir noch einen in Grau zu stricken. Nicht mehr in meinem Kleiderschrank ist der Gown-Cardigan – die Farbe und ich sind keine Freunde geworden und auch meine Färbeversuche waren nicht erfolgreich.
Den krönender Abschluß bilden dieses Jahr die Ole Mittens (selten verging so wenig Zeit vom ersten Blick bis zum fertigen Teil bzw. Paar). Aktuell auf meinen Nadeln ist mein Feiertagsprojekt, in das ich – nach anfänglichen Schwierigkeiten – ganz verliebt bin. Der Gaca-Shawl strickt sehr flott und kurzweilig – das hätte ich beim ersten Blick auf die umfangreichen Charts gar nicht gedacht.
Und das neue Jahr? Andrea fragt in ihrem Samstagsplausch nach Plänen für die Zukunft. Ja, natürlich habe ich immer mal wieder Pläne, und die nicht nur zum Jahreswechsel. Aber wenn ich eines in den vergangenen Jahren gelernt habe, dann, wie wenig man sich auf Pläne verlassen kann! Auf Vorsätze verzichte ich auch. Aber wenn ich einen Wunsch freihätte, dann wäre das, dass es meiner ukrainischen Freundin möglich ist, in ihre Heimat zurückzukehren und ich sich besuchen und ein friedliches Kiew kennenlernen kann…